André war einer der ersten Wohnungslosen, den ich, zusammen mit Mike R., gleich zu beginn meiner Arbeit im November 2014, in der Bahnhofsmission, kennen lernte. André war auch sofort bereit mein Projekt zu unterstützen und sich interviwen und mit der Kamera begleiten zu lassen. Es dauerte dann aber tatsächlich noch bis Juni 2015, bis wir das Vorhaben dann endlich in die Tat umsetzten konnten. André war zwischendurch mal mehrere Wochen von der Bildfläche verschwunden (in Thüringen, wie er mir später erzählte) und, wenn er hier war bekamen wir nie einen Termin hin.
Nun musste letztlich ein Zufall helfen. Ole und Snezhana hatte jemand an ihrem Schlafplatz das Zelt geklaut. Er organisierte sich ein neues, war am folgenden Wochenende aber mit der Obdachlosen Fußballmannschaft in Aachen, um an den Deutschen Meisterschaften teilzunehmen. Er bat André in der Zeit in seinem Zelt zu schlafen und aufzupassen, damit es nicht wieder weg kommt, was André auch tat. Gleich am ersten Morgen, stand dann aber der Förster vom Grunewald vor dem Zelt und machte André klar, dass das Zelt bis zum Nachmittag weg sein muss, da zelten im Grunewald verboten ist. Nach reiflichem hin- und her überlegen entschied sich André das Zelt nicht abzubauen, denn es war Samstag und niemand glaubte, dass das Grünflächen-, Forst-, Ordnungsamt am Wochenende räumen würde. Vor Montag würde wohl nichts passieren, so die Vermutung.
Da André quasi an einen Platz gebunden war und nicht weg konnte, nutzten wir die Gunst der Stunde und ich fuhr zu Oles Schlafplatz, den ich ja noch gut von meiner eigenen Nacht dort kannte, um André zu interviewen und fotografieren.
Das Interview folgt demnächst….
Zwei Tage nach dem Interview besuchte ich André an seinem regulären Schlafplatz. Mittendrin… das gilt für seinen Platz ganz besonders. Mitten in der Stadt, an einer viel befahrenen Hauptstraße schläft André in einem Lichtschacht. Mir wäre es dort definitiv zu laut, aber daran gewöhnt man sich vielleicht. Nur ein Armlänge entfernt von seinem Platz laufen Tag und Nacht Menschen vorbei, ohne wahrzunehmen, dass jemand nur einen Schritt entfernt von ihnen schläft. Unsichtbar, inmitten von Menschenmengen.
Einen Tag nach dem morgendlichen Besuch hat sich André zu Fuß auf den 300 km langen Weg nach Thüringen gemacht, um pünktlich, in drei Wochen bei der Hochzeit seines Bruders zu sein.