Schon lange ist Tanger ein Sehnsuchtsort und Fluchtpunkt, Romane wurden in der Stadt und über die Stadt geschrieben, viele Geschichten darüber erzählt.
Für manche begann hier die Flucht, für manche endete sie hier, wieder andere machten und machen hier nur eine Zwischenstation. Früher flohen manche vor Regimen in Europa, manche vor sich selbst, heute fliehen die Meisten vor Zuständen in ihrer afrikanischen Heimat mit der Sehnsucht auf ein besseres Leben in Europa. Viele dieser Menschen trafen und treffen sich in Tanger und Umgebung.
Nirgends sind sich Europa und Afrika so nah wie hier. Nur 35 Minuten benötigt die Expressfähre von Tanger nach Tarifa. Für die meisten jedoch wird Europa für immer unerreichbar bleiben.
Jetzt sitze ich hier auf einem Hügel, einem ehemaligen phönizischen Friedhof in Tanger inmitten von überwiegend Einheimischen und bestaune den wundervollen Ausblick über die Straße von Gibraltar, wo sich im Dunst am Horizont die Silhouette von Spanien abzeichnet. Man hat das Gefühl, man könne mal kurz hinüber schwimmen, so zum Greifen nah erscheint Europa.
In diesem Augenblick überkommt mich eine leichte Traurigkeit und ich glaube die Verzweiflung, die Sehnsucht, den Frust, die Hilflosigkeit, die Hoffnungslosigkeit zu verstehen, die ein Flüchtling haben muss. Sein (Flucht)Ziel, das vermeintlichen Paradies, das gelobten Land, in Sichtweite vor Augen, aber doch unendlich weit entfernt.
Wieder mal wird mir klar: Unser einziger „Verdienst“ ist es nicht im „falschen Land“, auf der falschen Seite geboren zu sein.