Ole

Ole

Ole, (44) ist geboren und aufgewachsen in der DDR. Er, sein Bruder und auch sein Schwager, waren sehr offen gegen das herrschende System, die SED und Erich Honnecker, taten dies auch offen kund, und gerieten damit in das Visier der Behörden. Ole war, wie er selbst sagt, mit einem Bein schon im Jugendwerkhof, den berüchtigten Umerziehungsheimen der DDR für schwer erziehbare Jugendliche. So beschloss er im Alter von 17 Jahren mit seinem Schwager aus der DDR zu fliehen.
Ziemlich schlecht geplant, und quasi gar nicht vorbereitet, flohen sie mit einem alten Schlauchboot über die Ostsee. Sie hatten vorher abgesprochen, dass, falls die Flucht entdeckt wird, jeder für sich alleine versuchen soll durchzukommen.
Die Flucht wurde entdeckt, die Beiden konnten noch an Land paddeln und sind dann, getrennt, in unterschiedliche Richtungen zu Fuß weiter gelaufen. Ole lief eine Weile, vermeintlich Richtung Westen, versteckte sich dann im Gebüsch und wartete das Ende der Nacht ab. Als der Tag begann hörte er Geräusche und ging in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, in der Hoffnung, nicht mehr im Osten zu sein. Als er dann eine Regionalbahn sah, wusste er, dass er im Westen war.
Sein Schwager hatte weniger Glück, er wurde von den Grenzsoldaten gefangen genommen.

Ole reiste direkt nach Hamburg, wo er verschiedenen Hilfestellen anlief und, nach einem kurzen Intermezzo in einem Wohnheim, welches sehr von Junkies frequentiert war, letztlich in der Roten Flora landete und dort mit Unterbrechungen auch einige Zeit lebte. Eine tolle Zeit, wie er sich erinnert.

Mit 27 wurde Ole dann eingezogen und musste seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr ableisten.

Ole absolvierte auch eine Lehre als Maler und Lackierer und arbeitete u. a. auf Montage und in Wismar auf einer Schiffswerft. Als er eines morgens nach Hause kam, fand er seine Freundin mit einem Mann im Bett. Auf Grund der anschließenden Schlägerei wurde er wegen Körperverletzung zu 2,5 Jahren Haft verurteilt, die er in Hamburg absaß.
Später folgte noch eine Haft von 6 Monaten, weil er zu seiner Verhandlung, wegen Diebstahls, nicht erschienen, daraufhin zur Fahndung ausgeschrieben, und bei einer zufälligen Polizeikontrolle am Wittenbergplatz 2012 festgenommen wurde.
Ole ist jetzt, mit Unterbrechungen, das 14. Jahr auf Platte.

Im Winter 2014/2015, als ich ihn kennen lernte „wohnte“ er unter einer Brücke in Charlottenburg.

Die Leute, die hier regelmäßig vorbei kommen, kennen ihn inzwischen, und er kennt sie. Er ist freundlich zu ihnen, redet mit ihnen, so wird er quasi Teil der „Nachbarschaft“ Manchmal bringen sie ihm auch Kaffee mit, oder lassen ein wenig Geld, in dem Becher, welchen er den ganzen Tag, während er in der Stadt unterwegs ist, stehen lässt (weiteres Geld verdient er sich durch Flaschen sammeln). Auch seine Sachen, wie Kleidung, Schlafsäcke, etc., lässt er tagsüber einfach unter der Brücke liegen. Normalerweise kommt nichts weg.
Ole findet das Leben auf der Straße in Charlottenburg, und die Anwohner, entspannter als in anderen Teilen der Stadt, weshalb er sich auch nach Möglichkeit immer in dieser Gegend aufhält.
Auch die Polizei, die hin- und wieder Streife fährt lässt ihn in Ruhe. Für den Winter hat Ole sich 4 – 5 Schlafsäcke und ein, zwei Matratzen organisiert, damit er nachts schlafen kann ohne Angst haben zu müssen zu erfrieren. Neben der Matratze liegen, griffbereit, immer ein paar Steine, um sich gegen Ratten u. ä. zu wehren.
Manchmal teilt er sich den Schlafplatz mit einem Bekannten, aber meist ist er alleine, was ihm lieber ist. In der Nähe schlafen mehrere andere Wohnungslose, die sich alle untereinander kennen. Würde nachts Gefahr drohen, würde ein lauter Ruf ausreichen um die anderen zu Hilfe zu rufen.

Im Seelingtreff Berlin Charlottenburg, in Charlottenburg, gibt es Frühstück, Duschen, Toiletten, Waschmaschinen für wohnungslose und mittellose Menschen. Dort geht Ole dann oft morgens hin, macht seine Wäsche, kann sich Duschen und trifft Bekannte und Freunde.
Mittagessen geht er oft in der Bahnhofsmission am Zoo, wo wir uns auch kennen lernten.

Ole hat nie Drogen genommen, weshalb er auch, trotz vielen Jahren auf der Straße, körperlich und geistig in guter Verfassung ist. Auch der Suchtdruck und die damit häufig verbundene Beschaffungskriminalität sind so kein Problem. Dazu mach Ole regelmäßig Sport. Er trainiert regelmäßig in einer Obdachlosen Fußballmannschaft und nimmt mit der auch an Turnieren teil. U. a. will er am 26. Juni 2015 beim European Homeless Cup, der Europameisterschaft der Obdachlosen, in Berlin auf dem Breitscheidplatz, spielen.

Früher oder später wünscht sich Ole durchaus eine Rückkehr in ein geregeltes Leben mit Wohnung und Arbeit: „Man wird ja nicht jünger und das Leben auf der Straße hinterlässt seine Spueren“.

Im April 2015 hat Ole seinen Platz unter der Brücke verlassen, da er öfters bestohlen wurde, und, nun im Sommer, wenn u. a. nebenan wieder der Biergarten aufmacht, er wahrscheinlich früher oder später sowieso „geräumt“ worden wäre. Momentan schläft er an wechselnden Orten und hin und wieder auch bei einem Kumpel in der Wohnung.

Ole in der Bahnhofsmission

Ole in der Bahnhofsmission

Ab April 2015 schlief Ole mit fünf anderen auf der Insel im Tiergarten. Sehr versteckt und unauffällig. So entgingen die Sechs auch der Räumung des Tiergartens am 7.5.. Dann tauchten in der zweiten Maiwoche plötzlich zwei Reporter auf der Insel auf und Ole, bzw. sein Schlafplatz, wurde unfreiwillig zur „lokalen Berühmtheit“, weil die Journalisten in Zeitung und TV darüber berichteten und Ole und seine Freunde am 18.5. geräumt wurden. Am 19.5. konnten Sie in der Zeitung nachlesen, was passiert war.

 

Am 3.6. traf ich mit Ole in der Bahnhofsmission um mit ihm einen Tag auf der Straße zu verbringen. Hier gibt es einen bebilderten Bericht des Seitenwechsels.

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